Samstag, 8. August 2009



Wir haben Rosenblätter auf einem Platz gefunden.
Ich rief erstaunt: “Schau, da liegen ja Rosenblütenblätter auf dem Asphalt!” Sie waren sehr groß. Rosa. Rot.
Sie sahen aus wie aus dem Bilderbuch. Wie gemalt sahen sie aus. Wie von einem englischen Maler für ein romantisches Bild erdacht. Ich bückte mich und sammelte sie im Neonlicht der Straßenlampen händeweise ein. Füllte meine Handtasche damit.
Sie waren feucht vom Regen.
Von der Straße.
Es war vor einem Blumengeschäft an einer S-Bahn-Station in Zürich, mitten in der Stadt.

Das Blumengeschäft war schon lang geschlossen und drinnen war es dunkel.
Auch meine Schuhe waren naß und die schicken Häkelkniestrümpfe mit dem Lochmuster unter der dunklen Hose, das sich jetzt unangenehm auf der Haut anfühlte, durchgeweicht.
Ich fror.
Der graue Mantel klamm und die Hände eiskalt.

Hinter großen Glasscheiben Menschen beim Abendessen. Es gab viele solcher Häuser mit diesen großen Glasscheiben wie Schaufensterreihen und Menschen dahinter, aus denen weißes Licht gleißte. In den feuchten Regen und auf die Straße. Manche Menschen eilten hinein, andere hinaus. Viele saßen. Ein junger Mann war aus einem Auto gesprungen und lief links an mir vorbei, in Richtung der Eingangstüre eines Lokals. Sehr schnell lief er. Sein Blick, wohin seine Augen sahen, er war weit weg. Auf jeden Fall hat er bestimmt nichts vom Regen gesehen. Und von den Straßenlaternen. Da bin ich sicher. Und mich hat er bestimmt auch nicht wahrgenommen.

“Vielleicht hat das Café an der S-Bahn-Station noch offen, dann können wir im Warmen auf den Zug warten”, sagte er. Doch die Fenster waren dunkel. Weiter vorne eine Bierbar. Ich sah gar nicht gleich, was für ein Art Lokal das war. Männer am Dreßen.
“In solche Lokale gehe nicht.”
Ich hielt meinen Kopf ein wenig schräg und lauschte.
Warum nicht?, fragte ich mich für mich. Wenn es doch regnet und mich friert.

Es kam mir vor, als wäre ich auf einmal in einem anderen Bereich.
Ich gehöre nicht mehr zu der Welt, die ich immer wollte, oder?
Ist das jetzt auf einmal weit weg?

In dem Bereich, in dem ich jetzt bin, scheint alles möglich. Jederzeit. Zum Beispiel kann ich Rosenblütenblätter finden.
Oder ein leuchtendes Goldstück auf einer der Stufen hinunter in die Unterführung.
Einen Glanz in den Augen.
Gesprächsfetzen aufschnappen, wundersam, von zwei Freundinnen, welche vor uns im Zugwagen sitzen.
Ich fror erbärmlich.
Dafür gehe ich im Regen am Seeufer entlang und halte dabei den noch zusammengeklappten, orangefarbenen Regenschirm mit den Schmetterlingen darauf in der linken Hand.
Wir gehen unterschiedlich, unsere Schritte sind verschieden lang, stellte er fest.
Ein hell erleuchtetes Plakat. Giacometti, der Ägypter. Jetzt lächelte ich.

Wir standen im Regen und warteten auf die S-Bahn.
Noch zehn Minuten.
Noch fünf.
“Ich atme für dich”, sagte er und schloß sanft seine Augen.
“Gleich wird es warm.”